Achtsamkeit
Ich bin in einem kleinen Dorf in einem Gebirgsgebiet in Norwegen aufgewachsen und habe meinen Führerschein auf halbleeren, verschneiten Straßen mit einer Kreuzung und einem Zebrastreifen gemacht. Ich kann gut im Dunkeln fahren und weiß genau, wie man auf einer schneebedeckten Landstraße zurechtkommt. Ich kann aus dem zweiten Gang auf Glatteis anfahren, driften und Schneeketten anlegen. Elchen ausweichen kannst du nicht lernen, aber ich weiß, wie sie in echt aussehen.
Dann bin ich ins Ruhrgebiet gezogen.
Großstadtfahrerei, Autobahn, Stau, die A40, das Kreuz Breitscheid, enge Parkhäuser, tausend Richtungen und Möglichkeiten – wenn ich an diesen „Neuanfang“ zurückdenke, schwitzen meine Hände noch immer ein wenig.
Ich musste das Autofahren mit 29 neu lernen. Zunächst dachte ich, es würde von alleine klappen, aber es war viel zu stressig und ich hatte ständig Angst, etwas falsch zu machen, zu spät zu reagieren oder Unfälle zu verursachen. Jede Autofahrt war wie ein Dauersprint und ich war danach immer völlig fertig. So fertig, dass ich versuchte, das Autofahren so gut es ging zu vermeiden.
Ich konnte nur auf kurzen Strecken im Winter glänzen, wenn überraschend viel Schnee und Eis da waren und „alle anderen“ zu Hause blieben.
Mein damaliger Partner, ein unglaublich guter und geduldiger Autofahrer, hat mich so gut es ging unterstützt, aber die eigentliche Lösung kam erst, als ich professionelle Fahrstunden bei einem netten, verständnisvollen und sehr guten Fahrlehrer nahm.
Das war eine Erleichterung! Der Prozess dauerte, und ich musste wirklich viel üben, aber mit der Sicherheit, dass jemand daneben sitzt, der genau weiß, was zu tun ist, konnte ich Stück für Stück das tägliche „Stop-and-Go“ auf der A40 üben und fand nach und nach sogar Spaß daran, auch mal bei höherer Geschwindigkeit über halbleere Autobahnen zu rollen. Schließlich konnte ich aufatmen und sogar mit einem Lächeln hinter dem Steuer sitzen.
Ach ja, und was ebenfalls wichtig ist: Auch wenn das Autofahren an sich keine übermäßige Aufregung mehr für mich bedeutet, so mischt sich das Fahren mit Zeitdruck, Verkehr und vor allem anderen Verkehrsteilnehmern. Es reicht also nicht, nur gelassen mit dem eigenen Auto umgehen zu können; man muss auch noch mit dem „Rest der Welt“ auf den Ruhrgebietsstraßen klarkommen. Und wie wir wissen, nach Fußball und Wetter sind die Staus – allgemein der Verkehr – Gesprächsthema Nummer eins.
Ja, ich rege mich inzwischen auch über andere Autofahrer auf und bin bestimmt nicht immer gelassen, aber ein Spruch, den ich gut finde, hilft mir, wenn alles stockt oder rücksichtslose „Rechts-Überholer“ meinen Puls in die Höhe treiben: „Wenn du im Verkehr feststeckst – denk daran, du bist Teil des Verkehrs.“ Und die Verantwortung für das Miteinander auf der Straße tragen wir gemeinsam. Ich fange bei mir an. Die anderen kann ich nicht ändern, aber wenn ich kurz durchatme, wenn die Oma vor mir in der 50er-Zone 30 fährt, mich bedanke, wenn mich jemand durchlässt und aufmerksam und gelassen bleibe im Stau – geht es mir besser, wenn ich ankomme und zumindest habe ich nicht dazu beigetragen, dass der „Kampf“ auf der Straße noch härter wird. Peace!
Ja, Achtsamkeit hilft auch im Straßenverkehr. Gut so.
Enjoy mindfulness!
Kristin