Achtsamkeit
Warum „schnell“ nicht gleich „hektisch“ ist und „ruhig“ nicht immer „still“.
Wenn wir beginnen, eine Achtsamkeitspraxis für uns selbst zu etablieren, macht es natürlich Sinn, in Situationen zu üben, die es uns ermöglichen, uns auf das Üben einzulassen, die regelmäßig sind und ruhig genug, damit wir unsere Wahrnehmung schulen können.
Achtsamkeit kann überall angewendet werden, und ich möchte mit euch noch ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung teilen. Vielleicht habt ihr ja ähnliche Situationen in eurem Alltag? Zu dieser Zeit war ich dabei, meine eigene Achtsamkeitspraxis „auf den Weg zu bringen“, und die folgende Situation hat sich geradezu aufgedrängt.
Das Mittagessen in der Kantine an einer Schule, wo ich gearbeitet habe… Halleluja, das war ein absoluter Albtraum! Die Turnhalle war nichts dagegen, außerdem hatte ich dort das Sagen, und meistens waren es maximal 20 Schüler auf einmal. In der Kantine waren es um die 120. In der ersten Phase an dieser Schule wusste ich oft nicht mehr, was ich überhaupt gegessen hatte, und nach der Mittagspause war ich komplett durch. Was tun? Auf meine vorsichtige Frage in meiner ersten Arbeitswoche, ob „das immer so ist“, haben mich meine Kollegen mitfühlend angesehen, so nach dem Motto, „Du gewöhnst dich noch daran“. Also eine gemeinsame, „ruhige“ Essenskultur gab es schon mal nicht, und außerdem hatte jeder eine individuelle Empfindlichkeit. Ich habe folgendes ausprobiert:
- Am Anfang alle in der Kantine einmal „anschreien“.
Konsequenz: hält 60 Sekunden. - Während der Mahlzeit Ohrstöpsel tragen.
Konsequenz: Schüler denken, sie dürfen das auch, Kollegen sind sauer. - Nicht essen.
Konsequenz: Küche ist beleidigt, ich bin grumpy im Unterricht und einmal in der pädagogischen Konferenz eingeschlafen. - Gespräch mit meiner Schulleitung.
Konsequenz: ich darf gerne gute Vorschläge machen, wie das für alle besser werden kann, und auch gerne eigenhändig umsetzen.
Fazit: Alles nicht erfolgreich!
In meiner Achtsamkeitspraxis zu Hause, ganz in Ruhe auf einem angenehmen Meditationskissen, habe ich mein eigenes Verhalten in dieser Essenssituation reflektiert und beschlossen, anders damit umzugehen – schlimmer konnte es sowieso nicht werden.
Hier mein Prozess:
- Ich habe beobachtet, dass die ersten 10 Minuten mich am meisten genervt haben.
Konsequenz: Ich habe meinen Teller später geholt, auch wenn ich dann weniger Zeit hatte, um mit dem Essen fertig zu werden. Die meisten saßen zu diesem Zeitpunkt bereits an den Tischen, und der ganze Raum war dadurch ruhiger, mein Puls auch. - Ich habe wahrgenommen, dass die Lautstärke gar nicht so krass ist, wenn ich aufhöre, innerlich und äußerlich darüber zu schimpfen, und stattdessen das Essen auf meinem eigenen Teller wahrnehme – eine Gabel nach der anderen.
Konsequenz: Das Essen hat besser geschmeckt, ich bin tatsächlich zur Ruhe gekommen, und Überraschung – diese Ruhe hat sich auch auf meine Tischnachbarn ausgewirkt.
Fazit: Weil ich mich nicht mehr nur an der Umgebung aufgerieben habe, hatte ich sogar öfter Energie für Austausch mit Tischnachbarn, und bin meistens zufrieden und gestärkt aus der Mittagspause gegangen.
Ich bin froh, dass Achtsamkeit kein exklusiver, glorifizierter Zustand ist, sondern ein praktischer Weg, um uns im Hier und Jetzt zu regulieren.
Entdecke die Kraft der kleinen Veränderungen ☺
Enjoy Mindfulness!
Kristin